Wohnatmosphäre im Badezimmer

Beim italienischen Hersteller agape sind nicht nur Möbel aus Holz,
sondern auch die Wanne

VON ROLF BROCKSCHMIDT

Man muss schon zwei Mal hinschauen, um die Funktion dieses Möbels zu erahnen, sieht man einmal von der sie definierenden Umgebung ab. Ein großer rechteckiger Kasten aus auf Wenge gebeiztem Buchenholz
mit einem Innenleben, das den Schwung einer Chaiselongue nachahmt und zum Platz nehmen einlädt - müsste man dafür nicht über den Rand steigen. ,,Woodline" von Giampaolo Benedini ist eine Badewanne ganz aus Holz, aus Schichtholz. Mit diesem Möbel, das es auch in Eiche natur und Birke gibt, strahlt das Badezimmer gleich eine wohnliche Atmosphäre aus. Für den Keramik- oder Emaille-gewohnten Deutschen
wirkt eine Badewanne aus Holz zunächst fremd und exotisch. Doch bei genauerem Nachdenken fallen einem unsere Vorfahren ein, die ihrer Badelust in großen hölzernen Waschzubern fröhnten.

"Woodline" ist vielleicht das konsequenteste Objekt aus der Kollektion des italienischen Badherstellers agape, der kürzlich in der Kantstraße in Berlin einen eigenen Showroom eröffnet hat. Der Kontrast zwischen der klaren, geraden Form der äußeren Wanne und dem organisch geschwungenen Innenleben macht die Wanne zu einem interessanten Objekt, das sowohl frei im Raum (wenn man denn Platz hat) stehen kann, aber auch an der Wand. Für den ersten Fall gibt es eine holzverkleidete Armaturensäule, die ebenfalls separat steht. Auch wenn die Wanne nur 170 Zentimeter lang ist, bietet sie bei knapp zwei Metern Körpergröße ein angenehmes, ergonomisch korrektes Sitzgefühl. Mit dem Allerwertesten sitzt man tief, während die Beine etwas höher liegen. Das ist gut für den Kreislauf, dürfte aber bei zunehmendem Alter ein höheres Maß an Gelenkigkeit erfordern. Vielleicht wäre ein ergonomisch geschwungenes Fußende der Badewanne die Lösung: dann säße man erhaben und hätte die Füße tiefer.
Die Philosophie von agape, dessen Chefdesigner und Mitgründer Giampaolo Benedini ist, zielt auf eine neue Funktion des Badezimmers.

Die agape-Kollektionen vermitteln auf den ersten Blick nicht den klassi-chen Eindruck von Funktionsmöbeln, die im weitesten Sinne der Körperreinigung dienen, sondern sie wecken eher Assoziationen zu Wohnzimmermöbeln. Das liegt natürlich am vielfach eingesetzten Holz, aber auch an der minimalistischen Formensprache, den zierlichen gerade Füßen bei allen Schränken, Konsolen und - Waschtischen. Dieser gewinnt bei agape seine ursprüngliche Bedeutung - natürlich in zeitgemäßer Ausführung - zurück.

So zeigt etwa das vielfältig kombinierbare Programm ,,Fiat" einen Tisch aus auf Wenge gebeizter Eiche mit Inox-Stahlrahmen und -füßen. Die kubischen Unterschränke scheinen zu schweben, eine schmale Bank dient als zusätzliche Ablage. Auf dem Tisch ruhen ein oder zwei Wasch-becken, oval, rechteckig oder rund in spitzer Tütenform. Die Becken werden nicht versteckt, sondern als bewusster Kontrast zur wohnlichen Komponente aus Holz und Stahl eingesetzt. Und so erinnert der moderne Waschtisch an den ursprüngli-chen Tisch mit Waschschüssel und Kanne.

Eine noch radikalere Form des wohnlichen Badezimmers ist das Programm "Boxes". Hier wirken die Möbel wie Sideboards im Wohnzimmer. Nur die in die Front eingelassenen Armaturen und das rechteckige Waschbecken aus Glas oder Marmor irritieren den Betrachter. Ein Abfluss ist nicht zu sehen, geschweige denn ein Stöpsel.

Eine besonders extreme Form des traditionellen Waschbeckens zeigt ,.Gabbiano". Grundlage des Beckens ist eine heiß gebogene Schichtholzplatte mit Furnier in Eiche natur, Birke oder Eiche auf Wenge. Die Front
des Beckens ist eine Glasscheibe, die auf den ersten Blick kaum sichtbar ist. Der Zahnbecher ist in die Platte eingelassen. Ein verwirrendes Spiel mit althergebrachten Sehgewohnheiten.

agape liefert Badezimmereinrichtungen, die vielleicht deutschen Sehgewohnheiten und Erwartungshal-tungen zuwiderlaufen, aber durch italienische Eleganz und verblüffende Effekte überzeugen. Ein Programm, dass in seinen fest zu installierenden Bestandteilen eher für das Eigenheim als für die Mietwohnung gedacht ist, aber auch im Detail reizvolle Accessoires bietet.

agape bei marmo e terracotta, Kantstraße 149, 10623 Berlin

(Der Tagesspiegel vom 01.03.2002)

Zurück