Berlin
Steine und Leben
Der Berliner Himmel war grau, die Stimmung ähnlich. Und dann dies: Ein Laden - mitten auf der Kantstraße, gleich hinter dem "hohen" Haus von Kleihues, gegenüber dem Stilwerk und neben Bisazza.
Wir sahen plötzlich "andere" Steine, richtige, natürliche Steine, Steine zum Anfassen, Steine zum Begreifen. Endlich einmal keine "Baumarkt-Fliesen". Schluss mit der Langeweile von Carrara-Marmor, der Uniformität der Norm-platten und der ewig glänzenden Politur. Frau L. war beeindruckt. Einen "Frauenladen" für Stein will sie entdeckt haben. Frau steht hier im Blickpunkt und Frau hat ein Konzept.
Wer sich für Naturstein entscheidet, so erläutert uns Annalisa Bruno, die vor zehn Jahren marmo e terracotta in einem Kellergeschäft in Schöneberg gegründet hat, entscheidet sich für die Natur und damit für den bewussten Umgang mit Vergänglichkeit und Veränderung. Ein Steinboden sei wie ein menschliches Gesicht mit Falten sehr schön, wenn es einen reinen Blick ausstrahle, einen Blick, der sage, alles sei gut, so wie es ist. Ein Steinboden könne voller Kratzer sein. Diese Gebrauchsspuren machten dann seine unheimliche Schönheit aus. Annalisa Bruno geht es ums Konzept: Naturstein werde natürlich alt, ihre Kunden akzeptierten dies. Die bekannten "Marketingstrategen" für die natürlichen Steine müssen es, so ihre Hoffnung, halt noch lernen.
Zu lange habe man aus den natürlichen Steinen fast "künstliche" Steine machen wollen. Ein hochglanzpolierter Bodenbelag, egal ob aus Marmor, Granit oder Kalkstein, ist für eben keine langfristige Lösung. Der oberflächliche Glanz verschwinde über kurz oder lang von selbst und jeder Versuch, diese "vergängliche" Politur wieder herzustellen sei teuer, eigentlich unnatürlich und wenig "steingerecht". Jede Maßnahme, den Alterungsprozess eines Naturprodukts zu stoppen, sei von Anfang an ein verlorener Kampf und gleiche einer Sisyphusarbeit. Man müsse den natürlichen Alte-rungsprozess akzeptieren und sogar unterstützen.
Für sie heißt das, mit einem Naturprodukt zu leben, es zu benutzen und nur ab und an sanft zu reinigen. Ihr Angebot, neben Stein auch hochwertige Keramik und Glasmosaiken anzubieten, bewegt sich jenseits der großen Massenproduktion.
Sie will sich und ihren Kunden alle Spielräume offen lassen. Ihr ist der Respekt vor der Unregelmäßigkeit und der Handarbeit wichtig, nur diese verleihe den Materialien ihre ursprüngliche Schönheit und Lebendigkeit. Weil: Naturstein darf man kratzen und man und frau dürfen es vor allem fühlen, sehen und s p ü r e n .
Marmo e Terracotta
Kantstraße 149, 10623 Berlin
Tel. +49 30 215 48 67
Fax +49 30 216 26 66
von Willy Hafner (Chefredakteur)
(STEIN 03|2005)